New Work – 6 Irrtümer

von Sebastian Bluhm

New Work ist und bleibt das Thema Nummer eins in der Arbeitswelt. Das nicht ganz so neue Buzzword weckt bei jedem andere Hoffnungen und Träume. Somit wird New Work auch von jedem anders ausgelegt und eher unspezifisch gebraucht. Ich habe mir einmal die Wünsche angeschaut und dann auch den Realitätscheck gemacht. Hintergrund war dazu mein Vortrag auf der NEXUS Messe im Februar mit dem Titel „New Work – Mythos, Irrtümer und Chancen“.

Wünsche an New Work und Arbeit 4.0

Bei einer Befragung des Branchenverbandes Bitkom, wurden über 1.000 Berufstätige zu Ihren Wünschen im Hinblick auf New Work und Arbeit 4.0 befragt. Top-Down waren dies:

  • 96% = Ich möchte meine Arbeitszeit frei einteilen können
  • 96% = Mein Arbeitgeber sollte Werte vertreten, mit denen ich mich identifizieren kann
  • 94% = Mir ist es wichtig, einer sinnstiftenden Arbeit nachzugehen
  • 93% = Ich wünsche mir flache Hierarchien
  • 92% = Mein Arbeitgeber sollte gesellschaftliche Verantwortung übernehmen
  • 90% = Ich möchte meine Leistungs- und Lernziele selbst festlegen
  • 82% = Ich wünsche mir eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie
  • 72% = Es sollte normal sein, dass auch Führungskräfte in Teilzeit arbeiten

New Work ist kein Ponyhof der Träume

Die Erwartungshaltungen an New Work und Arbeit 4.0 seitens der Berufstätigen erscheinen sehr ambitioniert, eine ganze Reihe von Wünschen und Hoffnungen wurden genannt. Ich möchte an dieser Stelle natürlich keine Träume kaputt machen, wir sollten aber schon mit einer gewissen inhaltlichen Tiefe auf diese „Hoffnungsträger“ schauen. Nach meiner Auffassung ist eine differenzierte Betrachtung elementar, um keine falschen Hoffnungen zu wecken. Zudem wird sich oft zu wenig mit dem eigentlichen „Buzzword“ beschäftigt, sodass jeder das Wort kennt, die inhaltliche Tiefe jedoch fehlt. New Work ist weder Ponyhof noch Wunschkonzert, eher ein radikales Arbeitskonzept mit vielen Facetten. Welche Irrtümer über New Work weit verbreitet sind und was New Work nicht kann, schauen wir uns jetzt an:

Irrtum 1: New Work ist Home-Office-Life!

Die derzeitige Situation erfordert, dass ein Großteil der Unternehmen ihre Mitarbeiter ins Home-Office schicken (müssen). Entgegen der Meinung einiger Unternehmen ist das jedoch noch lange kein New Work. Es geht nicht darum, im Zuge des Voranschreitens der Digitalisierung nur noch virtuell und digital zusammenzukommen. Vielmehr ist das ein Mittel, um den Grundgedanken von New Work entgegenzukommen: das Streben nach Sinn, Freiheit und Unabhängigkeit. Was das jedoch für jeden Einzelnen bedeuten kann und warum diese Vorstellung utopisch erscheint, habe ich weiter unten beschrieben.

Irrtum 2: New Work ist NEU!

Wie bereits angedeutet ist das Thema New Work gar nicht so neu, wie es der Begriff an sich vielleicht vermuten mag. Der Sozialphilosoph Frithjof Bergmann hat sich bereits in den 1970ern mit diesem Thema beschäftigt und 1984 ein Buch über den Kulturwandel der Arbeitswelt geschrieben. Seine Idee zu New Work basiert auf den Eindrücken aus der Autometropole Flint (Michigan) in den USA und den Parametern des Kapitalismus. Zudem hat er bei Reisen in den Ostblock auch den Kommunismus näher untersucht. New Work soll hierbei einen möglichen Weg aufzeigen, um die Nachteile der Systeme Kapitalismus und Kommunismus zu überwinden und die Menschen in eine neue Art der (sinnerfüllten) Arbeit zu führen. Das Thema scheint jedoch unter anderem so neu, da die Generation Y und X ganz andere Auffassungen von Arbeit haben und die Anforderungen eben auch an Unternehmen stellen. Um als Unternehmen im „War for Talents“ passende Mitarbeiter zu finden, müssen sie sich eben diesen Anforderungen stellen und eine positive Positionierung anstreben.

Irrtum 3: New Work funktioniert!

Bergmanns Entwurf soll ein Gegenbild zu Flint Michigan der 1980er-Jahre sein und beruht auf der Annahme, dass alle Menschen nach Sinn, Freiheit und Unabhängigkeit streben. Und damit ist es eine Utopie, weil es die Unvollkommenheit und menschlichen Schwächen ignoriert. Denn für einen derartigen strukturellen Wandel benötigt es immer noch das richtige Mindset der betroffenen Menschen. Nicht jeder braucht einen Sinn bei der Arbeit, kann mit Freiheit umgehen oder möchte die absolute Unabhängigkeit. Das Element einer sinnstiftenden Arbeit kann in Organisationen gut funktionieren und die passenden Mitarbeiter positiv beflügeln. Eine elementare Voraussetzung dabei ist immer, dass die Unternehmen klare Vorstellungen zu den eigenen Werten besitzen und auch ein wirkliches „Warum“ und eine Vision formuliert und visualisiert haben.

Irrtum 4: New Work ist eine Universallösung!

New Work als neues Arbeitssystem will die klassische Lohnarbeit abschaffen und Menschen dadurch die maximale Freiheit ermöglichen. Dieses Konzept ist drastisch gedacht und kann deshalb nicht die Universallösung für alle sein. Um die wichtigen Elemente von New Work umzusetzen, braucht es passende Unternehmen mit passenden Führungskräften und Mitarbeitern. Maximale Freiheit durch flache Hierarchien bewirkt aber auch, dass alle mehr Verantwortung tragen müssen. Das kann und will aber nicht jeder und muss vor allem erst erlernt werden. Selbstführung ist ein Begriff, der in Zukunft immer mehr Bedeutung bekommen wird. Denn um New Work erfolgreich umzusetzen, benötigen die Mitarbeiter Unternehmerqualitäten. Es kommt immer mehr zu einer Entgrenzung zwischen Arbeit und Privatleben und Menschen müssen erst lernen, damit umzugehen. Mehr Freiheit bedeutet aber auch, dass sich Ziele gesetzt werden müssen. Denn all die Freiheit bringt am Ende nichts, wenn diese eben in den Vordergrund rückt und die eigentliche Arbeit dabei eine untergeordnete Rolle spielt. Mitarbeiter müssen also auch Entscheidungen treffen können und die Verantwortung dafür übernehmen.

Irrtum 5: New Work Dauerparty mit Obstkorb & Kickertisch!

Bei New Work geht es nicht darum, dass Büro möglichst modern zu gestalten. New Work verlangt vor allem ein Umdenken im Wandel der Arbeitswelt. Arbeit und Privatleben vermischen sich immer mehr und der typische 9 to 5 Job ist schon lange nicht mehr aktuell. Der Mensch an sich mit seinen Bedürfnissen rückt immer mehr in den Fokus. Wer New Work daher auf die Dauerparty, Obstkorb und Kickertisch reduziert, wird diesem (radikalen) und tiefgreifenden Ansatz zur Änderung der Arbeit bei weitem nicht gereicht.

Irrtum 6: New Work rettet die Welt!

In Verbindung mit New Work sprechen alle von sinnstiftender Arbeit. Das ist auch richtig, denn Menschen sind in dem, was sie tun, richtig produktiv, wenn sie es auch wirklich gerne tun. Entscheidend ist jedoch, dass die Arbeit im Ganzen als sinnstiftend empfunden wird. Nicht jeder Arbeitsschritt kann die Welt verbessern, ändern oder retten. Es geht vielmehr um das große Ganze. Sich als Teil von etwas Größerem zu verstehen und zu wissen, dass die eigene Arbeit auf eine bestimmte Art und Weise auf ein großes Ziel einzahlt. Daher muss auch eine sinnstiftende Arbeit nicht unbedingt gleich die Welt retten, sondern soll die Bedürfnisse des Menschen (wertneutral) erfüllen.

Fazit

New Work ist viel mehr als nur der Obstkorb und das Home-Office. Es bedingt ein generelles Umdenken und infrage stellen der bestehenden Strukturen. Nach meiner Auffassung ist die vollständige Umsetzung der New Work Idee eine klare Utopie und für Unternehmen nicht möglich. Hier gilt es für Unternehmen eine differenzierte Betrachtung vorzunehmen, um die wirklich passenden Elemente zu finden. Dann kann New Work eine echte Chance für Veränderungsprozesse im Unternehmen sein.

 

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